Präventionsrat mit Senatorin – Das Thema „Verstetigung“ stieß auf sehr großes Interesse im Quartier

Fete de la Musique, Fußball-WM, egal: Am 21. Juni 2018 kamen über 100 Menschen in den PallasT zum Präventionsrat, dem Forum für Alle. Das gab es lange nicht. Kein Wunder, denn zu Gast war neben Bezirksstadtrat Jörn Oltmann auch die für das Quartiersmanagement zuständige Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen. Katrin Lompscher kam, um mit dem Menschen im Schöneberger Norden über das sehr aktuelle Thema "Verstetigung" zu sprechen. "Verstetigung" bedeutet das Ende des  Quartiersmanagement zum Jahresende 2020.

Volles Haus am 21. Juni 2018

So hohen Besuch gibt es nicht in jeder Ausgabe des Präventionsrates. Senatorin Katrin Lompscher wurde zunächst gebührend vom Bezirksstadtrat Jörn Oltmann, Leiter der Abteilung Stadtentwicklung und Bauen und von Corinna Lippert, bezirkliche Koordinatorin des Quartiersmanagement Schöneberger Norden (QM) begrüßt.

Fragen und Anmerkungen unter „Kiez Aktuell“

Unter dem Tagesordnungspunkt "Kiez Aktuell", der sich stets den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger widmet, wurden viele Themen angesprochen:

  • Zum Baufeld Froben- / Ecke Kurfürstenstraße wurde gefragt, wie es mit dieser Baustelle weitergeht? Die Abteilung Stadtentwicklung des Bezirksamtes kümmert sich bis zum nächsten Präventionsrat darum und wird im September dazu Bericht erstatten.
  • Was passiert mit dem Haus Potsdamer Straße 163, das seit Längerem leersteht? Für solche Fälle ist die Zweckentfremdungsverbotsstelle im Bezirksamt zuständig. Jörn Oltmann ist bekannt, dass für dieses Objekt eine Bauvoranfrage gestellt wurde.
  • In der "Partymeile" Bautzener Straße fühlen sich Anwohner seit dem Betreiberwechsel durch den Lärm im Umfeld der Gaststätte „Umsteiger" in der Yorckstraße 56a gestört. Das Bezirksamt unterstützt das Anliegen der Anwohnerschaft und ist dazu bereits im Gespräch mit Investor Semer, so Stadtrat Oltmann. Er wird auch Kontakt mit dem Betreiber der Gaststätte aufnehmen.
  • Das Gebäude in der Grunewaldstraße 87 wurde im Rahmen eines share deals erneut verkauft. Hat das Bezirksamt hier die Möglichkeit, das kommunale Vorkaufsrecht wahrzunehmen? Was kann das Bezirksamt gegen den dauerhaften Wohnungsleerstand in dem Gebäude tun? - Oltmann: Der Bezirk kann das Vorkaufsrecht nicht mehr wahrnehmen. Und für die Kontrolle des Wohnungsleerstandes.ist die Bau- und Wohnungsaufsicht zuständig.
  • In einem weiteren Redebeitrag ging es um den Lärm- und Naturschutz bei der Pflege öffentlicher und privater Freiflächen. Die Pflege öffentlicher Grün- und Freiflächen durch beauftragte Firmen missachtet den Naturschutz gravierend. So werden in der Brutphase der Vögel viele Büsche radikal zurückgeschnitten und Wiesen in der Trockenperiode gemäht. Bei der Pflege der Flächen werden stark lärmende Geräte eingesetzt, z.B. Zweitakter und Laubgebläse. Wie kann das alles geändert werden? - Stadtrat Oltmann: Hierfür sind das Grünflächenamt bzw. auf Privatgrund die entsprechenden Hauseigentümer und -verwaltungen zuständig, z.B. die Gewobag. Die im PräRat anwesende Frau Jensen von der Gewobag versprach, in ihrem Hause zu diesem Thema nachzufragen.
  • Zur Zweckentfremdung durch Ferienwohnungen wurde gefragt, wie der aktuelle Stand der Kontrollen ist. - Stadtrat Oltmann wies darauf hin, dass die Zweckentfremdungsverbotsstelle im Bezirksamt dafür zuständig ist und Stadträtin Heiß als für diesen Bereich Zuständige zum nächsten Präventiosrat kommt.
  • Zur Prostitution in der Kurfürstenstraße gab es die Frage, ob die Einrichtung einer Sperrstunde für Prostitution möglich wäre. Als besonders belästigend wird der Alkohol- und Drogenkonsum in diesem Umfeld von der Bewohnerschaft empfunden. Eine Sperrstunde würde Verdrängung bedeuten, erklärte Stadtrat Oltmann, und die sei im Land Berlin nicht gewünscht. Bei akuten Beeinträchtigungen durch die Straßenprostitution sollten der Anwohnerinnen und Anwohner bitte die Polizei verständigen.

Verstetigung des Quartiersmanagement – Informationen, Standpunkte und Diskussion

Ein Präventionsrat, wie man ihn sich wünscht: Volles Haus, ein wichtiges Stadtteil-Thema und eine angeregte Diskussion. Über 100 Menschen waren gekommen; Bewohner/innen, Aktive, Ehrenamtliche, Mieterbeiräte, Netzwerkvertreter/innen, Quartiersräte, Vertreter/innen von Einrichtungen, Trägern und Religionsgemeinden aus dem Quartier, Mitglieder der BVV und des Abgeordnetenhauses und Vertreter/innen des Bezirksamtes Tempelhof Schöneberg. Sie wollten sich informieren mit der Senatorin zu sprechen. Denn sie hatte im April 2018 entschieden, dass das QM Schöneberger Norden zum 31.12.2020 aus der Förderung durch das Programm Soziale Stadt entlassen wird.  Informationen dazu finden Sie hier.

Zunächst hatte Bezirksstadtrat Jörn Oltmann das Wort. Er informierte über den Stand des QM-Verstetigungsverfahrens und stellte die Einschätzung des Bezirksamtes zur Beendigung des QM zum 31.12.2020 dar.
Der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen beauftragte Gutachter hatte das Quartier Schöneberger Norden Ende 2017 als „unmittelbar verstetigungsreif“ eingestuft. Die Senatorin war dieser Einschätzung im April 2018 gefolgt. Damit stand das Ende des QM fest. Erst danach wurden die aktuellen Zahlen aus dem Monitoring Soziale Stadt 2017 veröffentlicht.

Stadtrat Oltmann machte in seiner Präsentation deutlich, dass der Bezirk die Einschätzung der Senatsverwaltung nicht teilt. Er macht sich stattdessen für die Beibehaltung des QM Schöneberger Norden in vollem Umfang bis 2024 stark und untermauerte dies anhand aktueller Sozialdaten.  Beispielsweise lebe ein Drittel der Bewohner/innen des QM-Gebiets von Transferleistungen, während der Durchschnitt in Gesamt-Berlin bei 17 Prozent liege. Im Schöneberger Norden sei jedes zweite Kind von Armut betroffen (Berliner Durchschnitt 21 Prozent). 25 Prozent der Bewohner müssten mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Warmmiete ausgeben. Außerdem bestünden kaum Handlungsoptionen für Jugendliche im öffentlichen Raum, da das Gebiet viel weniger Aufenthaltsflächen und dadurch eine Unterversorgung mit Spiel- und Sportflächen aufweise. Zwar gäbe es große Bauinvestitionsvorhaben an den drei Schulen im Quartier, doch würden die erst in den nächsten Jahren verwirklicht werden können. Ein weiteres Problem stelle die Lage der Gertrud-Kolmar-Bibliothek im 1. OG der Sophie-Scholl-Schule dar, für die ein neuer Ort gesucht würde. Um dafür das Förderprogramm "Bibliotheken im Stadtteil " (BIST) nutzen zu können, brauche man das Programm "Soziale Stadt", erläuterte Oltmann. Seiner Ansicht nach sei zur Begleitung des "CAMPUS der Generationen" als sozialem Anker im Quartier unbedingt das QM-Team mit seinem vollen Stundenumfang erforderlich. Dafür reiche eine abgespeckte Stadtteilkoordination nicht aus. Außerdem fordert der Bezirk die Koordination der im Gebiet entstandenen Netzwerke durch das QM-Team bis 2024. Andernfalls drohe zum Beispiel eine Verdrängung sozialer Träger. Hier sei die personelle Kontinuität ein entscheidender Faktor.

Senatorin Katrin Lompscher machte in Ihrem Redebeitrag zunächst deutlich, dass sie alle inhaltlichen Ziele des Bezirks Tempelhof-Schöneberg unterstütze. Allerdings sei ihr Weg zum Ziel ein anderer. Lompscher erinnerte daran, dass für das QM-Gebiet Schöneberger Norden, das als eines der ersten Generation bereits im Jahr 1999 startete, von Anfang an feststand, dass die Soziale-Stadt-Förderung irgendwann ausläuft. QM-Teams arbeiteten schließlich dafür, sich selbst überflüssig zu machen, so ließe sich die "zeitlich befristete Intervention" salopp beschreiben. Nach über 20 Jahren müsse man in einem Gebiet aufhören können. Dies sei auch notwendig, um neue, schlechter gestellte Gebiete neu in die Förderung nehmen zu können. Dafür seien die aktuellen Zahlen aus dem Soziale-Stadt-Monitoring sehr wichtig.

Natürlich solle ein "gelungener Übergang in die Verstetigung" im Schöneberger Norden, einem von neun Berliner QM-Gebieten, die zum 31.12.2020 aus der Förderung gehen, frühzeitig geregelt werden. Deshalb sei ein Zeitraum von 2,5 Jahren seitens der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen bis zum Auslaufen des QM geplant worden. Zudem werde das Team-QM bis zum Jahresende 2020 mit voller Kraft weiter arbeiten können. Dies sei bisher anders gewesen. Was ab 2021 mit den lokalen Netzwerken und anderen durch das QM initiierten oder begleiteten Projekten geschieht, liegt für die Senatorin auf der Hand: Der Bezirk solle wichtige Strukturen und Projekte ab 2021 möglichst "in Regelstrukturen überführen". Das bedeute, dass sie aus dem Bezirkshaushalt finanziert würden. Dazu würde ab 2021 auch die Arbeit des QM-Teams gehören. Im Übrigen gebe es für den "CAMPUS der Generationen" als sozialem Anker im Quartier verbindliche Kooperationen von Senat und Bezirk. Hier seien auch Finanzzusagen über den 31.12.2020 hinaus gegeben worden. Sie bot Stadtrat Oltmann an, in gemeinsamen Gesprächen zu überlegen, wie man auf die Anliegen des Bezirksamtes eingehen könne.

Schließlich stellte Mathias Bauer vom Quartiersrat Schöneberger Norden die Haltung dieses QM-Beteiligungsgremiums dar. Seit Anfang April setze sich der Quartiersrat intensiv für die Verlängerung der Förderung des Schöneberger Nordens über 2020 hinaus ein. Dazu gab es Anfang Juni sogar ein persönliches Treffen mit Katrin Lompscher in ihrem Amtssitz. Dabei wurden ihr über 500 Unterschriften von Menschen aus dem Schöneberger Norden übergeben, die das Anliegen des Quartierrates unterstützen, sowie weitere Unterstützerschreiben von verschiedenen Akteuren im Quartier.

Konkret brauche auch der Quartiersrat in Zukunft ein Budget, um weiter im Stadtteil wirken zu können. Man habe im Schöneberger Norden schließlich Probleme wie Verdrängung, Gentrifizierung, Prostitution und Gewalt jeden Tag vor Augen. Bezirksstadtrat Oltmann ergänzte, dass der Bezirk die Abteilung Sozialraumkoordination weiter aufbauen werde und z.B. in Marienfelde für ein "QM light" 70.000 Euro pro Jahr ausgibt. Doch ohne Landesmittel könne der Bezirkshaushalt nicht so viel leisten wie gewünscht und notwendig.

Im Anschluss an die drei Redebeiträge kamen die Besucher/innen zu Wort. Zahlreiche Anwesende wandten sich an die Senatorin. Die Schlange hinter dem Saalmikrofon riss nicht mehr ab. Alle einte der Wunsch, die Senatsverwaltung zu einer Rücknahme ihrer Entscheidung bezüglich der Beendigung des QM zum 31.12.2020 zu bewegen. Die Argumente dafür umfassten ein sehr breites Spektrum. So wurde beispielsweise auf die größer werdende Schere im Quartier zwischen Arm und Reich sowie zwischen Alteingesessenen und Neuzugezogenen hingewiesen. Beide würden viel Konfliktpotential bergen. Das Bildungsnetzwerk stehe zwar auf stabilen Füßen, bedürfe aber der weiteren Begleitung durch das QM-Team. Schockiert über die Gewalt im Kiez berichtete ein hier Aufgewachsener von Vereinsgründungen, die nur mit Hilfe des QM möglich geworden seien. Für die kleinteilige Arbeit vor Ort sowie für direkte Demokratie brauche man weiterhin Fördermittel, bemerkte ein Quartiersrat, denn "rein ehrenamtlich ist das alles nicht zu leisten!" Die Netzwerke im Gebiet sollten wenigstens bis zur Inbetriebnahme des "CAMPUS der Generationen" durch das QM unterstützt werden. Von einem ehemaligen Mitglied des Quartiersrates im benachbarten Stadtteil Tiergarten-Süd kam der Hinweis, dass dem dort 2016 verstetigten dreiköpfigen QM-Team lediglich eine Stadtteilkoordination mit einer halben Personalstelle eingerichtet wurde, die für ein größeres Areal als das ursprüngliche QM-Gebiet zuständig sei. Das Jahresbudget der dortigen "Stadtteilkasse" von 5.000 Euro reiche nur für Kleinstprojekte und stelle keinerlei Ersatz für die Projektförderungen dar. Und der dort lange geplante Ankerpunkt "Villa Lützow" werde nach diversen Bauverzögerungen erst 2019, Jahre nach der Verstetigung des QM, endlich fertig. Hier sei eine große Lücke entstanden. Wenn nur noch ehrenamtliches Engagement alles am Laufen halten solle, dann drohe die Verdrängung sozialer Träger, trug die russischstämmige Geschäftsführerin des Integrationszentrums Harmonie e.V. sehr leidenschaftlich vor. Seitens eines Mitglieds der BVV wurde die Verkleinerung des QM-Gebiets, wie sie die Senatsverwaltung für Moabit West beschlossen habe, als Kompromiss angeregt. Die Kommunen sollten auskömmlich finanziert werden, lautete eine mehrfach auf der Sitzung vorgebrachte Forderung. Stadtrat Jörn Oltmann lobte die vielen Sachbeiträge unterschiedlichster Schattierungen.

Senatorin Katrin Lompscher sagte, man solle nichts aufgeben, was gut funktioniert. Dafür sei jedoch eine regelfinanzierte Absicherung von Projekten und Personal durch den Bezirk viel besser als eine weitere befristete Förderung mit Projektmitteln durch das QM: "Gutes sollte unbedingt erhalten werden, aber der Erfolgsfaktor kann nicht ein auf Zeit ausgelegtes Instrument sein!" Des Weiteren betonte Lompscher, dass Verstetigung nicht Beerdigung sondern Beendigung bedeute. Sie verwies noch einmal auf den großzügig bemessenen Zeitraum von 2,5 Jahren für einen geregelten Übergang. Für diese Zeit solle nicht nur ein "Aktionsplan“ für die Verstetigung entwickelt werden, sondern auch geprüft werden, was im Schöneberger Norden über den Förderzeitraum hinaus - und vor allem wie und aus welchen Finanztöpfen gespeist - weitergeführt werden sollte. Generell müsse die Kommunalpolitik auf andere Füße kommen, führte die Senatorin, die vor ihrer Amtszeit selbst als Stadträtin in einem Berliner Bezirk für QM zuständig war, aus. Dazu gebe es viele Töpfe, die ausgeschöpft werden könnten, nicht nur das Programm "Soziale Stadt". Als Beispiel erwähnte sie das Siwana-Programm („Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds“), das für die Gertrud-Kolmar-Bibliothek genutzt werden könne. Gemeinsam mit dem Bezirk wolle ihre Verwaltung den Verstetigungsprozess des QM Schöneberger Norden "vernünftig in die Wege leiten".

Stadtrat Jörn Oltmann nahm das Gesprächsangebot von Senatorin Lompscher an und bedankte sich bei ihr und allen Gästen des Präventionsrates. Er motivierte die zahlreichen Anwesenden dazu, weiter hellwach zu bleiben und sich im Quartier zu engagieren.

Bis dann der Saal im PallasT wieder leer war, dauerte es noch eine weitere halbe Stunde. Der Gesprächsbedarf war groß.

Der nächste PräRat findet am Donnerstag, 27. September 2018, um 19 Uhr im PallasT statt.

Bereits zu Beginn der Sitzung hatte der Stadtrat den Hinweis gegeben, dass seine zunächst für diese Sitzung angekündigte Kollegin, Stadträtin Christiane Heis, zum nächsten PräRat am 27. September 2018 kommen wird. Dann will sie über die beiden Themen „Begegnungszone Maaßenstraße“ und „westliche Yorckstraßen-Vorplätze“ informieren.

Ein Besuch wird sich wie immer lohnen!